DAS JUBJUB
Eine Gruppenausstellung von Lehrenden, ehemaligen Studierenden und Studierenden des Fachbereichs Kontextuelle Malerei der Akademie der bildenden Künste Wien
Galerie 5020 in Salzburg, Residenzplatz 10, 5020 Salzburg
Ausstellungsdauer: 9.11.–15.12.2018
Was macht den Kompost aus?
Lautes Nachdenken zwischen Persson Perry Baumgartinger, Gin Müller, Ashley Scheirl und Ruby Sircar
Sounds of Magic Flute Compost
Performance im Erdgeschoss
Teilnehmende Künstler_innen:
Offerus Ablinger / Željka Aleksić/ Annemarie Arzberger/ Florian Aschka / Persson Perry Baumgartinger / Wilhelm Binder/ Barbara Stöhr bug blanket / Veronika Dirnhofer / Louise Deininger / Julia Fuchs / Manuela Picallo Gil / Julia S. Goodman / Hagendorfer und Lukas Reischauer / Sarah Hauber / Èv Hettmer / Lukas Hochrieder / Jonathan Höhl / Leon Höllhumer / Peter Dessler und Friedensreich Hunderwasser / Larissa Kopp / Yein Lee / Maria Legat / Juno Legat / Ahoo Maher / Andreas Messinger / Erisa Mirkazemi / Rini Mitra / Gin Müller / Hyeji Nam / Danielle Pamp / Heti Prack / Karolina Preuschl / Patrick Püribauer / Shuvo Rafiqul / Andrea Salzmann / Berivan Sayici / Ashley Hans Scheirl / Tomash Schoiswohl / Ruby Sircar / Runa Sircar / Riku Sircar / Sounds of Magic Flute Compost / Kanako Tada / Zoe Dewitt / Justin Jun Wooyoung / Julia Zastava
Eröffnung: Freitag, 09.11.2018, 18:00
Freitag, 09.11.2018, 18:00
Freitag, 09.11.2018, 19:00
sowie Performances von Željka Aleksić, Hagendorfer und Lukas Reischauer
Regenwurmpisse
Woher kommt der gesellschaftliche Kompost? Im Garten sind es nicht die verdauten Humusüberreste der Regenwürmer, sondern vielmehr der konzentrierte Regenwurmurin, der unheimlich wertvoll ist: Schlaue Nutzer_innen fangen diesen auf und lassen ihn gesondert aus dem Kompost ablaufen. Was hat es auf sich, dass queere Headliner wie Donna Haraway sich aufmachen und in die Gefilde der Vermischung von "pflanzlich" und "humanoid" begeben? Warum wird der Cyborg in die Flora getragen (1)?
Das Ausstellungsprojekt "Das JUBJUB" setzt sich in einer kritischen Verspieltheit mit zeitgenössisch-queeren Manierismen auseinander. Gin Müller, Tomash Schoiswohl, Ruby Sircar, Ashley Scheirl, Lehrende und Studierende des Fachbereichs Kontextuelle Malerei der Akademie der bildenden Künste Wien laden zu einer grotesken Verzerrung des Ausstellungsraums ein. Wir setzen uns hier mit fantastischen Lebenskonzepten und Alltagsimaginationen im queeren Raum auseinander. Barock lustwandeln wir von Trickstergestalten, wie der Königin der Nacht, Angelo Soliman, Zarathustra, Papageno, Puck und Maria von Trapp, hin zu technoid-floralen Möglichkeiten der Wahrnehmungserweiterung. So auch unser treuer Reisebegleiter "Das JUBJUB": Ein Monster, welches wir selbst riefen und das zwischen Verlangen und Begierde wächst und seine von uns bestimmte Form annimmt.
Seit vier Jahren setzen wir uns mit zeitgenössischen Neo-Manierismen in Kunst, Ökonomie und sozialen Netzwerken auseinander. Der historische Manierismus erzeugte einen Bruch mit den bis dahin üblichen Ausdrucksformen. Skulpturale Körper waren nicht länger der Perfektion der Renaissance ergeben, sondern formulierten sich in neuen, überraschenden Drehungen und Wendungen. Was in der Renaissance als starre Feier klassischer menschlicher Körperideale galt und auf Politik und Gesellschaftsnormen übertragen wurde, löste sich im Manierismus wieder auf. Unerwartete und freiere Formen ethischer Muster und bildnerischer Normen wurden gesucht: Queere Politik, liberale Mode und Kunst wurde gefeiert.
In unserem transdisziplinären Projekt wollen wir diesen Bruch reflektieren, wir wollen den Manierismus mit Hilfe eines zeitgenössischen Spiegels entschlüsseln, eine Auflösung von bestehenden hierarchischen Systemen soll ablesbar werden. Die Reihung von intersektionalen Wichtigkeiten und Privilegien, die sich auch in der akademischen Kunst abbilden, sollen aufgelöst werden. (Trans-)Manierismus ist Ermächtigung: Eine Loslösung vom Gegebenen und die Schaffung eigener Körperlichkeit.
Die eingeladenen künstlerischen Positionen arbeiten an Themen rund um die Kompostierbarkeit von bekannten Werten (künstlerisch und bildnerisch) und kulturellen Sprachen. Zoe De Witt stößt mit ihren Performances und fotografischen Installationen (CIS TRANS, 2017) an die Grenze möglicher kultureller Aneignung und verhandelt implizit Erwartungshaltungen - was ist Exotik und was ist Geschlecht? Wie dokumentiere ich Zeitzeugnisse und hinterfrage gleichzeitig deren Notwendigkeit? Justin Jun Wooyoungs Arbeiten (Cinderellas Castle, 2018) zu utopischen und märchenhaften Architekturen schließen an diesen Themenkreis an: Erwartungen werden gebrochen und zuckerbunt umhüllt. Annemarie Arzbergers Skulpturen (The unexplained visitors, 2018) aus Müll- und Foundfootage der Alltagskultur, äußern sich zu Diskursen wie Commoning in Respekt und Nachhaltigkeit. Im abstrakt-installativen Malraum finden wir die Overheadprojektionen eines Roy Culbertson III (Liquid, 2018), der die Brücke ins Performative schlägt. Ihnen gemeinsam ist die Frage nach einem neuen Raum, der von Privilegien frei ist. Die malerische Position von Rini Mitra (The Scream, 2018) sucht in der Darstellung übergeordneter bildnerischer Politiken ein kosmisches Ganzes, wohingegen Andreas Messinger Natur und Gesellschaftsvergleiche in Form von Material und Darstellung vornimmt (An der blauen Donau, 2018) und so einen utopisch freien Raum der gelebten Gleichwertigkeit formuliert. Performativ und sonisch werden diese kontextuellen Mal- und Zeichenräume in eine Soundlandschaft von Karolina Preuschl (Soundscape, 2018) eingebunden, die die nächste Generation, die nächste Schicht auf dem Komposthaufen, dazu anleiten wird, ihren Beitrag zu leisten: Juno Legat, Runa und Riku Sircar (Kinder der Künstler_innen Maria Legat/Patrick Püribauer und Ruby Sircar/Wolfgang Meisinger).
Eine Frage springt augenscheinlich ins Gesicht: Wie entsteht Gemeinschaft? Was macht eine queere Gemeinschaft aus? Andrea Salzmann (Sculpture, 2018) und Offerus Ablinger (truvada bitch, 2017) ermächtigen sich einer Antwort dieser Frage sowohl performativ als auch malerisch: Farben, die wie gezuckerte Krebsgeschwüre an uns herantreten. Und so bleibt es, wenn die Malerei von Shuvo Rafiqul (The Pelvis, 2018) sich eines Treppenwitzes zum Thema gesellschaftlicher Relevanz bedient, malerisch: "Some of the surgery doctors are going together by public transport. The road is broken so the bus is jumping while running and one of the doctors starts screaming, oh! My pelvis is breaking...my pelvis is breaking." Und weiter bemerkt Shuvo Rafiqul: "This work is called pelvis. The pelvis is questioning! The state of being obsessed with outlet's display of Golden Necklaces or centipede?" Die goldene Kette wird von Ashley Hans Scheirl seit den 1990er Jahren mit Arbeiten zu Trans* gesellschafts- und kapitalismuskritisch befragt. Gold als Metapher für die Überbleibsel und Scheiße der Alchemisten, auf der Suche nach dem Kalb der Gier. Scheirl hat den Diskurs nachdrücklich geprägt - nicht nur in der Institution, sondern auch durch die Zusammenarbeit mit Kolleg_innen (Gin Müller, Veronika Dirnhofer, Elisabeth Priedl, Roberta Lima, Tomash Schoiswohl, Heti Prack, Ruby Sircar und posthum Friedensreich Hundertwasser) und nun (ehemalige) Studierende dazu eingeladen, selbst zum Kompost, zum Thema beizutragen.
Warum haben wir uns alle hier getroffen? Die Grundlage unseres gemeinsamen Komposts - die Regenwurmpisse, durch die alles wächst und gedeiht, steckt tief in dem Diskurs zu Trans*wurzeln und Sichtbarkeit. Es geht um die Schaffung eines neuen Kanons, außerhalb restriktiver binärer und CIS-geprägter Kunstgeschichtsdiskurse. Wir sind alle selbstständig dazu angehalten, einen neuen Kanon zu schaffen, der nicht nur auf einer Diskurswelle mitschwimmt, sondern längerfristig intersektionale Privilegien der Lesbarkeit durchbricht.
1 Haraway, Donna. "Anthropocene, Capitalocene, Plantationocene, Chthluluocene: Making Kin" Environmental Humanities 6 (2015), S.161.
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